Das kleine Haus mit der Nummer 12 in der Nürnberger Straße in Hirschaid blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Ursprünglich wohl als Wohnhaus eines wohlhabenden Bauern oder Handwerkers errichtet, diente es einige Jahrzehnte als Schulhaus der jüdischen Gemeinde. Zuletzt war es als Mietshaus genutzt, steht aber seit vielen Jahren nun leer.
Die Fassade entstammt ebenso wie das obere Stockwerk und das Dach einer Umbauphase in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Zur Hofseite nach hinten schließen der frühere Schulraum und die Mikwe mit Umkleide als Anbauten aus der Zeit der Nutzung durch die jüdische Gemeinde an.
Beim Betreten des Gebäudes gelangt man zunächst in einen kleinen Flur, von dem nach links zwei Wohnräume abzweigen und rechts die Treppe ins Obergeschoss führt. Geradeaus gelangt man in ein in den 1960er Jahren eingebautes Bad und die ehemalige Küche. Dann folgt der Zugang zum früheren Schulraum und weiter zur Mikwe.
Interessant im Flur ist ein Unterzugsbalken, der sich durch das gesamte Gebäude zieht. Er wurde dendrochronologisch ins Jahr 1517 datiert. Damit gehört das Haus zu den ältesten noch stehenden Bauten in ganz Hirschaid.
Der erste Wohnraum auf der linken Seite bestätigt eine Datierung des Erdgeschosses ins 16. Jahrhundert, denn am Durchgang zum zweiten Raum wurden neben dem Türstock Nuten einer früheren Holzverkleidung gefunden. Eine Holzvertäfelung verweist zum einen auf das 16. Jahrhundert und zum anderen auf einen wohlhabenden Bauherrn, denn eine mit Holz isolierte Wohnstube konnten sich nicht viele leisten.
Im rückwärtig angebauten Raum fand zwischen 1883 und 1938 der Schulunterricht für die jüdischen Kinder statt. Zunächst als Elementarschule, ab 1924 dann nur noch als Religionsschule. 1883 hatte die jüdische Gemeinde das Haus durch Tausch erworben.
Die Mikwe, das Ritualbad, ist noch als Becken im Boden erhalten. Der Wasserzufluss fand über das Dach statt, der Verlauf der Leitungen für das Regenwasser ist noch erkennbar. Vor der Mikwe gab es einen beheizbaren Umkleideraum. Ein Ofen stand in der Ecke.
Im Dachgeschoss wurden verschiedene Gegenstände gesichert, die noch aus dem Besitz der jüdischen Gemeinde stammen. Die Sicherung und Inventarisierung erfolgte über die Mitarbeiterinnen des jüdischen Kulturmuseums in Veitshöchheim. Gefunden wurden vor allem abgelegte Gebetbücher, zudem Postkarten, Flaschen, Schuhe und Keramikfragmente.
Die letzten jüdischen Bewohner des Hauses waren der Lehrer David Kahn, seine Frau Carry und die gemeinsame Tochter Frieda. Sie wurden zusammen mit den letzten verbliebenen Hirschaider Juden im Frühjahr 1942 deportiert und ins Konzentrationslager Izbica im heutigen Polen gebracht. Von dort aus kamen sie in eines der Vernichtungslager und wurden ermordet. An sie erinnern seit einigen Jahren Stolpersteine vor dem Gebäude.
Für die Zukunft ist geplant, hier ein kleines Dokumentationszentrum für die Geschichte der jüdischen Gemeinde Hirschaid und ihrer Mitglieder einzurichten. Außerdem soll die Baugeschichte des Hauses dargestellt werden.
Einen Blogbeitrag zum Projekt finden Sie beim Netzwerk jüdisches Leben und Erbe in Bayern: https://netzwerk-juedisches-bayern.de/beitrag/das-war-doch-gar-keine-richtige-schule
Neben einer Dokumentation der jüdischen Geschichte Hirschaids können in Zukunft auch Kunstwerke von Ruth Schreiber zu ihrer dramatischen Familiengeschichte ausgestellt werden.
Mehr dazu finden Sie bei unseren Publikationen im Band "Erinnerungsteile - Erinnerung teilen".
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